Geleitwort von Prof. Dr. Gerhard Wegner Es war in der letzten Zeit vor meinem Eintritt in den sogenannten Ruhestand, als sich bei mir im Sozialwissenschaftlichen Institut der EKD in Hannover einige Personen aus Bad Liebenzell meldeten und um eine Beratung für ein soziologisches Forschungsprojekt baten. Das war überraschend, wenngleich die Liebenzeller Mission und ihre Internationale Hochschule Liebenzell mir natürlich bekannt waren. Ich verband mit Liebenzell Glaubensstärke und eine weltweite Ausrichtung, was mir beides schon immer imponiert hatte. Aber Soziologie? Gar die Fähigkeit, methodisch sauber empirisch zu arbeiten und sich in den säkularen Diskurs einbringen zu können? Da war mir Liebenzell noch nicht aufgefallen. Aber das änderte sich schnell. In einem ersten Treffen in Stuttgart im Restaurant staunte ich über die Professionalität, mit der das neue Institut LIMRIS an die Fragen heran ging. Später übernahm dann Dr. habil. Hilke Rebenstorf aus unserem Institut die Beratung. Und nun liegen die Ergebnisse der großen Gottesdienst- und Gemeindestudie für die innere Metropolregion Stuttgart vor. Es stimmt: Hier wird eine neue und bislang einzigartige Faktenlage zur Wirklichkeit christlicher Kirchen und ihrer Gottesdienste entfaltet. Der Blick geht weit über die großen Volkskirchen hinaus, relativiert sie auch ein Stück weit, und lässt die gesamte Ökumene in all ihrer Vielfältigkeit und Pluralität zum Tragen kommen. Die Region Stuttgart erweist sich als religionsproduktiv – so hat es jedenfalls den Anschein, auch wenn es sich um eine statische Erfassung handelt und demgemäß Entwicklungsprozesse kaum beschrieben werden. Im Mittelpunkt stehen vitale Segmente überwiegend protestantischer Freikirchen. Das ist sicherlich für den Kenner gerade der Stuttgarter Szene nicht völlig überraschend – wurde aber bisher noch nie so detailliert dargestellt. Es lohnt sich folglich, diese Ergebnisse in den allgemeinen wissenschaftlichen Diskurs zu rezipieren, was vor dem Hintergrund der kirchensoziologischen Diskussion der letzten Zeit auch geschehen soll. Säkularisierung und religiöse Vitalität Die Rede vom Niedergang der Kirchen und dem Verschwinden des christlichen Glaubens – zumindest aus den nord- und mitteleuropäischen Gesellschaften – kommt immer wieder schnell über die Lippen. Viele Zahlen belegen es deutlich: im Jahr 2021 werden die bisher größten Mitgliedschaftsverluste der Evangelischen Kirche in Deutschland (2,5%) und wohl auch der Katholischen Kirche ver-
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