13 Geleitwort tergrund geriet demgegenüber ein sich der Kirche und dem Glauben stärker verbundener Mitgliedschaftstyp, der sich nicht zuletzt als tragende Basis der Kirchengemeinden erwies. Bisweilen konnte er sogar als rückständig beschrieben werden.14 Erst in der KMU 5 widmet man sich ihm und entdeckt die große Bedeutung wieder, die den Kirchengemeinden für die Reproduktion der Kirche zukommt. Tatsächlich hat es gut 50 Jahre lang keine nennenswerte empirische Erforschung der Situation in den Kirchengemeinden in Deutschland nach den zahlreichen Studien in den fünfziger Jahren gegeben. Dagegen gab es allerdings konzeptionelle Beiträge und z.T. heftige Debatten über Struktur und Zukunft der Gemeinden. »Congregational Studies« im angloamerikanischen Sinn haben aber gerade erst begonnen und die Liebenzeller Studie gehört nun auch dazu. Herausragend war in der letzten Zeit im Kontext der Sozialraumorientierung der Kirche eine empirische Studie über die zivilgesellschaftliche Einbettung von 6 landeskirchlichen Kirchengemeinden von David Ohlendorf und Hilke Rebenstorf.15 Einen wichtigen Neuansatz zur Analyse der Situation in den Gemeinden ist das im Jahr 2015 zum ersten Mal vom Sozialwissenschaftlichen Institut der EKD durchgeführte Kirchengemeindebarometer16. Es stellt eine repräsentative Umfrage unter den EKD-Gemeinden in Deutschland dar und ist jetzt (2021) im 2. Durchgang um freikirchliche Gemeinden erweitert worden. Befragt werden die leitenden Gremien (Kirchenvorstand, Presbyterium) um ihren Blick auf ihre Gemeinden. Dabei wird ein dynamisches Modell der Gemeindeentwicklung zugrunde gelegt, in dem einerseits zwischen sozialen Koordinationsformen (eher Marktorientierung – Organisation – Gemeinschaft) und andererseits zwischen inhaltlichen Ausrichtungen der Gemeinde (eher religiös – sozial – kulturell) unterschieden wird. Indem man Formen und Inhalte sozusagen kreuztabelliert kann man komplexe Strukturen beschreiben und insbesondere ihre Dynamik in den Blick bekommen (z. B. eine Entwicklung von einer religiösen Schwerpunktsetzung mit Gemeinschaftsformen hin zu einer sozialen Marktorientierung usw.). Es zeigte sich, dass außer Gottesdienst und explizit religiösen Angeboten sehr viel in den Gemeinden als eher sozial ausgerichtet wahrgenommen wird – und zwar stark unter dem Charakter von Gemeinschaft. Die Leitungsgremien verstehen sich zudem nur begrenzt als die Gemeinden zielorientiert organisierend. Insgesamt ergibt sich ein Bild von sich selbst als erfolgreich einschätzenden (ca. 23 %), zufriedenen (ca. 33%), zwar zufriedenen, aber skeptisch in die Zukunft blickenden (ca. 33%) und im Niedergang befindlichen Kir14 Vgl. dazu Gerhard Wegner: 50 Jahre dasselbe gesagt? Die Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen der EKD im religiös-kirchlichen Feld. In: Gerhard Wegner (Hg.): Gott oder die Gesellschaft? Das Spannungsfeld von Theologie und Soziologie. Würzburg 2012, 295–342. 15 David Ohlendorf/Hilke Rebenstorf: Überraschend offen. Kirchengemeinden in der Zivilgesellschaft, Leipzig 2919. 16 Hilke Rebenstorf/Petra-Angela Ahrens/Gerhard Wegner: Potenziale vor Ort. Erstes Kirchengemeindebarometer, Leipzig 22015.
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