Stuttgarter Gottesdienst- und Gemeindestudie

12 Geleitwort wurde, scheint sich auch die Forschung hauptsächlich mit den großen Trends zu befassen. Es muss doch aber darum gehen, um noch einmal Grace Davie zu zitieren: »to ›bring to life‹ the underlying analysis, recognising that this is a story of real people, doing real things in the real world.«12 Also näher heranzukommen an jene tatsächlichen Erfahrungen, die Menschen als christlichen Glauben beschreiben und die sie begeistert weitergeben (oder aber unplausibel und störend empfinden) und in ihren Gemeinden leben. Kirchenmitgliedschaftsstudien und Kirchengemeindebarometer Dazu gehört es, möglichst komplex die Situation der Kirchen »evidenzbasiert« zu analysieren. Nicht dogmatische Setzungen dessen, was man glauben soll, stehen am Anfang, sondern empirische Exkursionen in die reale Welt der Kirchen und religiösen Gemeinschaften. Zum Glück steht man in dieser Frage in Deutschland nicht am Anfang – ganz im Gegenteil! Unmittelbar nach dem ersten Einbruch der Kirchenmitgliederzahlen nach 1968 startete die EKD ein wahrhaft epochales Forschungsprogramm zur Selbsterkundung: die »Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen« (KMU) im Abstand von jeweils 10 Jahren. Mittlerweile liegen 5 solcher Studien13 vor – die sechste ist in Arbeit. So ziemlich alles, was Menschen mit der Kirche verbindet wird hier abgefragt. Im Zeitverlauf lassen sich faszinierende Entwicklungen aufzeigen. Hatte man in den Umfragen zur KMU 1 vor allem Kritik an der Kirche erwartet so überraschte ihre enorme Stabilität, die vor allem auf einem distanzierten aber völlig selbstverständlichen Mitgliedschaftsverhalten beruhte, was sich als Charakteristikum der Volkskirchen erweist: man gehört zur Kirche, nimmt aber wenig an ihr teil und nutzt ihre Angebote kaum – auch nicht diejenigen der eigenen Gemeinden, die aber gleichwohl den oftmals einzigen Zugang zur Kirche darstellen. Wenn auch theologisch umstritten wurde dieses Verhalten als spezifisch modern und zukunftsfähig gewertet und entsprechend umfassend analysiert. In den Hin12 Grace Davie, A. a. O., S. 345. 13 KMU 1: Helmut Hild (Hg.): Wie stabil ist die Kirche? Bestand und Erneuerung. Ergebnisse einer Umfrage, Gelnhausen/Berlin 1974. KMU 2: Johannes Hanselmann/ Helmut Hild/Eduard Lohse (Hg.): Was wird aus der Kirche? Ergebnisse der 2. EKD Umfrage über Kirchenmitgliedschaft. Gütersloh 1984. KMU 3: Klaus Engelhardt/Hermann von Loewenich/Peter Steinacker (Hg.): Fremde Heimat Kirche. Die dritte EKD Erhebung über Kirchenmitgliedschaft. Gütersloh 1997. KMU 4: Wolfgang Huber/Johannes Friedrich/Peter Steinacker (Hg.): Kirche in der Vielfalt der Lebensbezüge. Die vierte EKD Erhebung über Kirchenmitgliedschaft. Gütersloh 2006. KMU 5: Heinrich BedfordStrohm/Volker Jung (Hg.): Vernetzte Vielfalt. Kirche angesichts von Individualisierung und Säkularisierung. Die fünfte EKD – Erhebung über Kirchenmitgliedschaft. Gütersloh 2015. In der Regel folgen jeweils ergänzende umfangreiche Kommentarbände.

RkJQdWJsaXNoZXIy Mzg4OTA=