MISSION weltweit – Ausgaben 2019

MISSION einsamkeit Russland: „Gemeinde ist wie Medizin gegen einsamkeit“ Sambia: Und dann gab es niemanden zum feiern … Frankreich: Jesus, bist Du genug? aUSGaBe 1/2 – JanUaR / feBRUaR 2019 Mit Sonderbeitrag von Ulrich Giesekus www.liebenzell.org

2 5 8 darum geht’s 4 Einsamkeit Martin Auch 5 Frankreich: Jesus, bist du genug? Lisa Kimpel 6 Sambia: Und dann gab es niemanden zum Feiern … Margit Schwemmle 8 Russland: „Gemeinde ist wie Medizin gegen Einsamkeit“ Matthias Schindler 10 Deutschland: Wir schaffen das – gemeinsam! Bericht vom „Witwentreffen“ 11 Mikronesien: Abgegeben und einsam Hartmut und Urte Scherer 12 Japan: EINSAM? gemEINSAM! Susanne Schlotz 14 Interkulturelle Teams Deutschland: Brückenbauer gesucht! Klaus-Dieter und Erika Volz 16 Malawi: Gemeinsam und doch einsam Tobias und Sarah Müller sonderbeitrag 18 Einsame Spitze … Prof. Dr. Ulrich Giesekus Impuls 3 Einsam, zweisam, gemeinsam Johannes Luithle liebenzeller mission aktuell 17 17 Stunden auf Sendung 17 Früher wurden Missionare gekocht … 23 Brückenbauer im Osten Deutschlands 26 Gemeinschaftsarbeit und Mission – damit Menschen mit Jesus leben 29 Es reicht! i persönliches 27 Neue Missionare vorgestellt 30 Missionare unterwegs 30 Familiennachrichten das empfehlen wir 22 Buchtipps 28 Tipps und Termine 31 TV-Programm was machen eigentlich … 32 … Siegfried und Gudrun Neumaier? 31 Impressum Das erwartet mich Titelbild: Rikscha-Fahrer in Dhaka/Bangladesch Foto: René Bredow Wir suchen Menschen, denen Mission am Herzen liegt und die uns verbunden sind. Gehören Sie dazu? Dann schicken Sie uns einen kurzen Text mit Ihrem Bild oder ein Videostatement, warum Mission wichtig ist oder was die Liebenzeller Mission für Sie bedeutet. Eine Auswahl veröffentlichen wir dann unter anderem auf unserer neuen Webseite. Nutzen Sie ganz einfach unser Online-Formular: www.meine-mission.org/statement 12

mIssIoN weltweit 1–2/2019 18 3 aktuelle INFos O im Internet unter: www.liebenzell.org O in der wöchentlichen Gebetsmail (bitte anfordern): www.liebenzell.org/ gebetsanliegen O vomBand abhören: telefon 07052 17-111 O in der LM-App „meine mission“ unter www.liebenzell.org/app speNdeN liebenzeller mission sparkasse pforzheim calw IBaN: de27 666500850003 3002 34 BIc: pzhsde 66 die liebenzeller mission ist als gemeinnützig anerkannt. spenden, schenkungen und Vermächtnisse müssen nicht versteuert werden. Bitte vermerken sie den beim artikel angegebenenSpendencode auf Ihrer überweisung, wenn sie diese arbeit unterstützen möchten. herzlichen dank! Mithelfen: SpenDencoDe 1440-32 pen e Mithelfen: SpenDencoDe 1440-32 Impuls einsam, zweisam, gemeinsam der philosoph und mathematiker Blaise pascal war überzeugt davon, dass alles unglück der menschen einem entstamme, nämlich, dass sie unfähig sind, in ruhe allein in ihrem zimmer zu bleiben. Und so ganz unrecht hat er nicht, denn viele meiden das Alleinsein. Laut einer Umfrage fürchtet sich jeder achte Deutsche vor der Einsamkeit. Damit ist die Angst vor Einsamkeit häufiger als die Angst vor Mäusen und Ratten, vor denen nur jeder Zehnte zurückschreckt. Eine Information hat uns Blaise Pascal allerdings vorenthalten: Wie lange soll ein Mensch allein verbringen? Es macht doch einen Unterschied, ob ich eine Stunde, einen Tag oder einen ganzen Monat lang alleine bin. Wie viel Einsamkeit ist hilfreich? Und wann wirkt Einsamkeit bedrohlich? Interessant ist, dass in unserer Sprache dasWort „einsam“ beziehungsweise „Einsamkeit“ immer schon eine negative Färbung hat. Wenn ich mich einsam fühle oder einsam bin, dann werde ich nicht verstanden oder bin von meiner Umwelt ungewollt abgeschieden. In der neutestamentlichen Sprache ist mit „einsam“ zunächst die öde Wüste gemeint, aber auch ein stiller Ort des Rückzugs oder ein menschenleerer, verlassener Ort. Für Jesus waren einsame Plätze und einsame Zeiten lebensnotwendig. Denn dort pflegte er intensiv die Zweisamkeit mit seinem Vater. Es waren die „wüsten“, die einsamen Zeiten, in der ihm die Engel dienten – sei es zu Beginn seines öffentlichen Wirkens, sei es zu Beginn seines Leidens, als er mit Gott alleinwar. Nur in der Einsamkeit beziehungsweise in der göttlichen Zweisamkeit konnte er Kraft schöpfen, um seinen Auftrag an der Gemeinschaft zu erfüllen. In die gleiche Kerbe schlägt auch Dietrich Bonhoeffer in seinem Buch „Gemeinsames Leben“. Im Kapitel „Der einsame Tag“ zeigt er, dass für eine Gemeinschaft nur derjenige förderlich ist, der auch allein sein kann: „Wer nicht allein sein kann, der hüte sich vor der Gemeinschaft.“Gleichzeitig gilt aber auch: „Wer nicht in der Gemeinschaft steht, der hüte sich vor dem Alleinsein.“ Beides gehört zusammen. Einsam und gemeinsam braucht eine gute Balance. Die Feiertage bieten Anlass dazu. Ich wünsche Ihnen einsame Stunden für Begegnungen mit Gott und zur Stärkung für gemeinsame Zeiten in der Familie, in der Gemeinde oder wo auch immer Sie Gemeinschaft leben. Der Friede Gottes, der von Bethlehem aus die ganze Welt erobert hat, sei mit Ihnen! Herzliche Grüße Ihr Pfarrer Johannes Luithle

4 darum geht‘s *Quelle: AP/Stuttgarter Nachrichten vom 16.10.2018 Einsamkeit war schon immer ein Thema von uns Menschen. Unser Schöpfer hat uns als beziehungsbedürftiges Wesen geschaffen. Er weiß, wie schmerzhaft Brüche in Beziehungen sind. Er sieht, dass um Ältere immer weniger Menschen herum sind. Er sieht, dass Jüngere durch häufige Ortswechsel oder den Überkonsum von digitalen Medien vereinsamen. In der westlichen Welt kommt noch etwas dazu: Die zunehmende Individualisierung unserer reichen Gesellschaft ermöglicht, nicht mehr auf andere angewiesen zu sein. Zunehmend mehr Menschen können es sich finanziell leisten, ihre eigenen vier Wände zu haben und Wohnraum nicht mit Familie oder Freunden teilen zu müssen. Aber dieser Reichtum macht viele arm und unsere Gesellschaft krank. In England wurde im Oktober 2018 eine Kampagne gestartet, um gegen Vereinsamung vorzugehen.* Ärzte sollen dort spätestens ab dem Jahr 2023 Rezepte ausstellen können, um einsamen Menschen Gemeinschaft zu ermöglichen – bei Kochkursen und Spaziergängen ... Zurück zum Jahreswechsel. Egal, ob Sie ihn einsam oder gemeinsam verbringen: Ihr Schöpfer, der in Jesus Retter und Freund wird, hat versprochen, Ihnen seine Gemeinschaft in Treue zu erhalten. Die Tür zu ihm ist offen – und uns besucht er auch sehr gerne. Für das neue Jahr gilt Ihnen die zeitlose Zusage Gottes: „Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Gewalten der Höhe oder Tiefe noch irgendeine andere Kreatur können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.“ Römer 8,38–39 Diese Zusage tragen wir auch im neuen Jahr in unsere gebeutelte Welt. Danke, dass Sie dabei mithelfen! Mit herzlichen Grüßen vom Missionsberg Ihr Martin Auch, Missionsdirektor Je älter wir werden, desto bewusster erleben wir das. Manche von Ihnen erleben diese Tage in Gemeinschaft, manche in Einsamkeit. Wir Menschen sind auf Gemeinschaft angelegt. Wir sind in Beziehungen gestellt, und wenn sie gut sind, tun sie uns gut. Beziehungen – das wird in den folgenden Artikeln deutlich – sind mehr als die Anwesenheit von Menschen um uns herum. Bei Beziehungen geht es um ehrlichen Austausch, um verstehen und verstanden werden, um angenommen sein und annehmen, um geben und nehmen. die erste ausgabe von „mission weltweit“ für das Jahr 2019 hat sie erreicht! Bei den meisten lesern flattert unsere zeitschrift noch im alten Jahr ins haus, bei manchen erst im neuen – vor oder nach dem Jahreswechsel eben. dieser ist weitaus mehr als nur die Veränderung des datums! Beim Jahreswechsel wird uns deutlich, dass die zeit vergeht und weitergeht. Einsamkeit

FraNkreIch darum geht’s 5 mIssIoN weltweit 1–2/2019 foto: MIRIaM DehneR Ich bin erst vor ein paar Wochen in Montpellier angekommen. Spätestens jeder Umzug stellt mich erneut vor die Herausforderung „Einsamkeit“. Erst einmal ist sie gar nicht so schlecht, und ich genieße die Freiheit von sozialem Druck, oft auch besondere Intimität mit Gott. Aber spätestens nach drei Tagen ohne „wirkliche“ Gemeinschaft merke ich, wie mir die fehlenden Beziehungen zusetzen. Die Einsamkeit wird zur Leere, die Leere zur Antriebslosigkeit, die Antriebslosigkeit zur Hoffnungslosigkeit, und all das summiert sich zu einer gefühlten Ferne zu Gott. Denn selbst IHM begegne ich nicht nur in der Stille und Einsamkeit, sondern genauso in der Gemeinschaft. Wenn diese Einsamkeit mir sogar die spürbare Nähe zu Gott zu rauben scheint, kommt oft diese Frage inmir hoch: „Jesus, bist du nicht eigentlich genug?!“ Eigentlich ist er doch mein Geliebter, mein Vater, mein Freund, der mich erfüllt. Der, der mir Liebe, Wertschätzung und Nähe schenkt. Der Einzige, der mich niemals allein lässt. Trotzdem bleibt zu oft dieses Gefühl der Einsamkeit. Gott ist mir zu weit weg, zu unsichtbar, zu still, zu ungreifbar. Gott, der Vater, nimmt mich nicht wirklich physisch in den Arm. Einsamkeit auch in Gemeinschaft Gott hat uns als soziale Wesen geschaffen. Wir sind dafür gemacht, Menschen zu lieben und mit ihnen Leben zu teilen. Doch das reicht nicht. Wir sind für eine göttliche Beziehung gemacht. Denn selbst in „guter“ Gemeinschaft kann man einsam sein. Wie oft war ich schon mit Freunden und Familie zusammen und mir hat dennoch etwas gefehlt: Liebe unter allen Umständen, wirkliches Verständnis dafür, wie ich fühle. Niemand kann uns so perfekt lieben und so genau verstehen wie unser Schöpfer-Gott. Und hier liegt bei mir, als Gemeinschaftsliebende, eine der größten Gefahren: dass Gemeinschaft mein Götze wird. Wenn ich etwas mehr liebe als Gott und mein Glück von etwas anderem erwarte als von ihm, ist es ein Götze. Dieser trennt mich von Gott und wird mich auf schreckliche Weise enttäuschen. Hierauf hat Gott mich schon oft in Einsamkeit und Enttäuschung hingewiesen und mich zurück zu ihm gerufen, dem Einzigen, der meine Sehnsucht nach echter und tiefer Gemeinschaft wirklich erfüllen kann. Davon bin ich überzeugt. Dennoch frage ich oft: „Jesus, bist du wirklich genug?“, und fühle einen Mangel. Aber ist das nicht so wie mit vielen Dingen in dieser herausfordernden „Zwischenzeit“? Wir sehnen uns nach mehr, weil es mehr gibt. Unsere menschlichen Beziehungen reichen uns nicht, weil wir die göttliche Beziehung brauchen. Die göttliche Beziehung reicht uns auch noch nicht, weil sie noch nicht perfekt ist. Gott hat uns eine unbeschreiblich wunderbare Zukunft in seiner Gegenwart mit all unseren Glaubensgeschwistern versprochen. Wenn ich jetzt also einsam bin, dann halte ich mich an Gottes Versprechen: Ichwerde in so vollkommenerGemeinschaftmit IHMleben, dassmir nichts, rein gar nichts mehr fehlt. Und die perfekte Gemeinschaft mit allen geretteten Menschen gibt es dann noch zusätzlich. Lisa Kimpel ● Lisa kimpel ist in nordhessen aufgewachsen und hat nach dem abitur die Interkulturelle theologische akademie (Ita) in Bad liebenzell absolviert. Seit Januar 2017 lebt sie in frankreich. nach dem Sprachstudium im Großraum paris Mitarbeit in der Gemeinde in alençon/normandie. Seit herbst 2018 gehört sie mit den familien Bolanz und Dehner zum Gemeindegründerteam in der südfranzösischen Stadt Montpellier. Inmitten vieler menschen sitze ich auf dem belebtesten platz der stadt. überall sehe ich miteinander vertraute Familien, fröhliche Freunde und spaßende Bekannte. und ich mitten drin – allein. Lisa am neuen Einsatzort Montpellier Jesus, bist du genug? Mithelfen: SpenDencoDe 1460-32 frankreich

6 darum geht’s samBIa Mir fielen an diesem Abend viele Steine vom Herzen. Wir hatten viel Arbeit in die Berichte gesteckt, manche Schweißtropfen waren geflossen und viele zusätzliche Stunden wurden investiert. Da wäre es doch nur richtig, mit allen Beteiligten die Freude über diese Nachricht zu teilen. Weil es aber schon Abend war, gab es gerade niemanden – und ich habe, wie schon manches Mal zuvor, gedacht: Ach, wie schön wäre es jetzt, wenn … Allein auf weiter Flur Bei der Missionarskonferenz im August 2017 wurde es mir zum ersten Mal so richtig bewusst: Innerhalb der Liebenzeller Mission gibt es in Afrika keine Singlefrauen, die ähnlich lange wie ich im Ausland arbeiten und ähnliche Erfahrungen machen. Keine der Frauen hat eine vergleichbare Position oder Aufgabe, und mir fehlt der fachliche Austausch. Klar, Internet und WhatsApp machen vieles möglich, aber wie schön wäre es, wenn … Allein unter Männern Während einer unserer Veranstaltungen oder in Sitzungen an der Universität sitze ich wieder einmal nur mit Männern am Tisch, weil ich die einzige Frau in einer Leitungspositionbin. Bei der Absolvierungsfeier im Juni kam ich mir auf der kleinen Bühne neben den gewichtigen Männern etwas verloren vor. Meine Position als Studienleiterin, Vertreterin des Schulleiters und dazu noch als weiße Frau bringt es mit sich, dass ich nicht ins Gefüge passe und mich immer mal wieder fehl am Platz fühle. Wie gut wäre es, wenn … Nagende Fragen Ja, wie gut wäre es, wenn alles ganz anders wäre, alle meine Bedürfnisse gestillt wären und ich nicht so oft eine Sonderstellung hätte. Manchmal ist mir in solchen Situationen tatsächlich nach Heulen zumute. Lohnt sich der Einsatz? Sind es nicht verschwendete Jahre und zu viele einsame Stunden? Wird alles Arbeiten und Säen auch einmal eine Ernte bringen? Mit diesen Fragen erinnere ich mich aber an die vielen anderen Erfahrungen. Bereichernde Beziehungen Der jetzt sechsjährige Sohn von Anke und Samuel Meier hat mich vor einiger Zeit als große Schwester adoptiert, und ich freue mich über das offene Haus, wann immer ich Gesellschaft, einen Kaffee, Schokolade, Abwechslung oder einfach ein offenes Ohr brauche. Wie schön, denke ich … Mit einigen ehemaligen Studentinnen und Studenten verbindet mich eine echte Freundschaft. „Ich vermisse dich“, sagt mir Astridah immer wieder, wenn wir voneinander hören. Diese Woche hat Brian angerufen. Er hat während seines Studiums meinen Garten in Ordnung gehalten. Margit Schwemmle ist seit 2014 Dozentin an der „evangelical University“ in ndola und begleitet junge Sambier in ihrer theologischen ausbildung als Mentorin. Im Juni 2016 hat sie zusätzlich die Studienleitung übernommen. Die frühere finanzbeamtin hat die Bibelschule Brake absolviert und war danach mit der liebenzeller Mission in Malawi und in der pioniermission in Sambia im einsatz. und dann gab es niemanden zum Feiern … als ende Juli die Nachricht des Bildungsministeriums in meinem e-mail-postfach war, hätte ich am liebsten mit jemandem gefeiert. die akkreditierung für die studienprogramme war geschafft! Die Samen werden nicht aufgehen, während ich darauf warte, dass das leben leichter wird und alle probleme gelöst sind. Sonnenuntergang am Sambesi foto: MaRGIt SchWeMMle

7 samBIa darum geht’s mIssIoN weltweit 1–2/2019 „Wie sieht er aus, brauchst du Hilfe? Ich kann in den nächsten Tagen einmal vorbeikommen und das Gras mähen oder Unkraut jäten.“ Grace hatte mich zu ihrer Hochzeit eingeladen. Klasse, diese Beziehungen, freue ich mich … Unser Buchhalter an der Universität und die Sekretärin des Schulleiters haben mir vor einigen Wochen erklärt, warum es wichtig ist, dass ich da bin: „In jeder Familie braucht es eine Mutter und einen Vater. Wir sind hier wie eine große Familie. Wir schätzen unseren Schulleiter sehr, aber wir brauchen dich als unsere Mutter. Diese Rolle kann sonst niemand übernehmen.“Danke ... 20 Jahre von Gott beschenkt Dass ich einen Schulleiter als Chef habe, der mir den Rücken stärkt, mich wertschätzt, korrigiert, ermutigt und mir ganz viel zutraut, empfinde ich als besonderes Vorrecht. Als ich vor gut 20 Jahren zum ersten Mal nach Afrika gereist bin, habe ich von einer Aufgabe, wie ich sie heute habe, nicht einmal geträumt. Schön zu sehen, was Gott so alles macht … Ja, es gibt sie, die Zeiten, in denen es einsam ist bei mir, in denen mir die Tränen näher sind als das Lachen. Aber es gibt auch die vielen anderen Stunden und Tage, in denen ich mich daran freuen kann, dass ich mich hier mit meinen Gaben und Fähigkeiten einsetzen darf und das Vorrecht habe, Menschen zu prägen. Später: mit Freuden ernten Beziehungen prägen meinen Alltag. Meine Bürotür ist fast immer offen, und im Laufe eines Tages kommt so mancher Student oder Mitarbeiter vorbei. Wenn ich abends nach Hause gehe, versuche ich, diese Bereicherungen meines Lebens mitzunehmen. Manchmal aber stehen mir auf dem Heimweg ein paar Tränen in den Augen. Warum hat dieser oder jener so oder so reagiert? Warum verstehe ich auch nach 20 Jahren Afrika manche Aussagen nicht? Warum ist da keiner, der mich versteht? „Rede mit deinen Tränen“, hat John Piper in einer Andacht zu Psalm 126,5.6 geschrieben. Er fährt fort: „Wenn wir im nächsten Winter essen wollen, müssen wir jetzt den Samen säen, auch wenn wir dabei weinen. Wenn wir das tun, was jetzt dran ist, werden wir zur gegebenen Zeit ‚mit Freuden ernten‘.“ Zuvor: die Aussaat Das Problem sind also gar nicht die Tränen, die Trauer oder die Einsamkeit. Zum Problem werden sie erst dann, wenn sie mich davon abhalten, das zu tun, was Jesus mir vor die Füße gelegt hat. Die Samen werden nicht aufgehen, während ich darauf warte, dass das Leben leichter wird und alle Probleme gelöst sind. Sie wollen gesät sein. Ich will nicht aufhören zu „säen“, nur weil es zwischendurch Tränen gibt oder ichmich einsam fühle. Ich will mehr und mehr lernen, mit meinen Tränen zu reden, sie als Teil dessen, was ich bin, zu akzeptieren. Und ich will mich auf die Ernte freuen, die es nach dem Säen irgendwann geben wird – und die ich auch sehr oft erlebe. Ich entscheide mich immer wieder neu, die vielen Momente mit anderen Menschen zu sehen, die mich bereichern, mir Mut und Zuversicht geben. Was für ein Vorrecht, Teil von Gottes Geschichte zu sein, imSäen unter Tränen, aber auch im Ernten mit Freuden. Margit Schwemmle ● die „Evangelical University“ (eu) wurde 1960 als „Bible college of central africa“ gegründet. 1979 übernahm die evangelische allianz sambias die trägerschaft. 1981 erfolgte eine umbenennung in „theological college of central africa (tcca)“. Im Jahr darauf begannen die ersten studenten mit diploma- und Bachelor-programmen in theologie. seit 1988 wird zusätzlich zum theologiestudium ein abschluss für religionslehrer an weiterführenden schulen angeboten. Neue möglichkeiten, eine staatliche anerkennung zu bekommen, führten zu einer registrierung als private universität, und 2014/15 wurde aus tcca die „evangelical university“. 2018 wurden alle angebotenen programme vom sambischen Bildungsministerium anerkannt. die universität kann dadurch partnerschaften mit international anerkannten universitäten eingehen. mit der Internationalen hochschule liebenzell (Ihl) besteht eine solche. Im mai 2018 begann an der eu ein zweijähriges programm für Frauen, die in der gemeindearbeit tätig sind und noch keine ausbildung haben. 17 Frauen sind für die ersten kurse eingeschrieben. Insgesamt studieren zurzeit 70 männer und Frauen an der eu, und im september 2018 kamen die ersten drei Ihl-studenten zum auslandssemester. Von der liebenzeller mission arbeiten margit schwemmle und der vom amerikanischen lm-zweig ausgesandte dr. Francis manana mit seiner Frau Beatrice an der eu. motto der eu ist 2. timotheus 2,2: „Und was du von mir gehört hast durch viele Zeugen, das befiehl treuen Menschen an, die tüchtig sind, auch andere zu lehren.“ Die Studentinnen schätzen Margit Schwemmle als Mentorin und Freundin. Die ersten drei IHL-Studenten sind da! Mitarbeiterausflug Mithelfen: SpenDencoDe 1440-32 Sambia foto: naMa D. fUnDUlU foto: MaRGIt SchWeMMle

8 darum geht’s russlaNd Die Frau brachte es auf den Punkt: „Das Problem ist, dass durch den Sündenfall die Gemeinschaft mit Gott zerstört wurde. Durch Jesus wird sie wieder aufgerichtet, wenn ein Mensch sich zu Gott bekehrt. Deshalb ist es egal, wie viele Menschen um dich herum sind, seien es nun liebe Menschen, die Familie oder Verwandte. Wenn sie den Glauben an Jesus nicht teilen, bleibst du als Mensch, solange du lebst, an dieser Stelle einsam. Denn eben diese Menschen verstehen dich nicht bis in die Tiefen deines Herzens.“ Wie geht die Frau damit um? Sie meint: „Wenn man diese Einsamkeit erfährt, ist es umso wichtiger, sich Gottes Liebe zuzuwenden. Er füllt die Leere in dir. Ein Mensch, der Gott sucht, findet einen Weg aus seiner Einsamkeit und muss sich nicht weiter damit quälen.“ Als Christ einsam in der Gesellschaft In Russland bezeichnen sich rund 60 Prozent als orthodoxe Christen, zwei Prozent sind Protestanten, etwa 0,3 Prozent Katholiken. Da kann es doch wohl nicht sein, dass man sich als Christ einsam fühlt!? Doch genau dies erfahren viele, die in unsere (evangelischen) Gemeinden kommen. Sie leben in einem Umfeld, das sich als christlich-religiös bezeichnet – und bleiben als Christen doch einsam, weil sie wenig mit den anderen Menschen verbindet. Natürlich ist da der gemeinsame Glaube an den dreieinigen Gott. Aber damit ist das Verbindende auch schon ziemlich erschöpft. Denn: ● Da, wo Jesus das Zentrum des Glaubens und das Ziel unserer Gebete ist, kann man nicht zu Heiligen und deren Bildern beten. ● Da, wo allein die Bibel göttliche Autorität für den Glauben ist, wird es schwierig, wenn orthodoxe kirchliche Schriften den gleichen Stellenwert haben – zumal diese nicht immer im Einklang mit der Bibel stehen. ● Für uns steht fest, dass nur der Glaube an Jesus Christus, sein Kreuzestod und seine Auferstehung von der ewigen Gottesferne rettet. Wie in vielen sogenannten christlichen Ländern genügt es dagegen auch in Russland vielen Menschen, getauft zu sein und sich ein Kreuz als Zeichen dafür um den Hals zu hängen. ● Schließlich: Es ist die Gnade, die einen Menschen zum Kind Gottes macht, ein unverdientes Geschenk. Gebet, Kirchgang, Spenden und gute Taten sichern uns keinen Platz im Himmel. Wie oft wird das missverstanden! Als Christ einsam in der Familie Das erleben wir häufig: Eine Frau (meistens) oder ein Mann (selten) bekehrt sich zu Jesus Christus, aber der Ehepartner zieht nicht mit oder ist möglicherweise dagegen. So lebt der gläubig Gewordene alleine seinen Glauben und kann ihn nicht mit dem anderen teilen, weder „gemeinde ist wie medizin gegen einsamkeit“ * Name geändert so stellte eine Besucherin unserer Veranstaltungen fest. sie fuhr fort: „sich am gemeindeleben zu beteiligen, kann die rettende medizin für einsame menschen sein. sie finden hier eine geistliche Familie. es ist nicht verwunderlich, dass das Vaterunser mit dem Wort ‚unser‘ und nicht mit ‚mein‘ beginnt – denn wir sind gemeinsam Familie gottes, seine kinder, und er möchte, dass wir mit ihm zusammen sind.“ Austausch in der Gemeinde

9 mIssIoN weltweit 1–2/2019 russlaNd darum geht’s mit ihm zusammen beten noch die Bibel lesen. Die gemeinsame Grundlage fehlt. Das ist das Los von vielen Menschen, die in unsere Gemeinden kommen. Sie können dort ihren Glauben teilen und haben geistliche Brüder und Schwestern. Doch die meiste Zeit ist man eben nicht in der Gemeinde, sondern zu Hause und am Arbeitsplatz einsam auf sich gestellt. Maria* aus unserer Gemeinde berichtete: „Als ich früher in die Gemeinde kam, habe ich nicht verstanden, warum es so wichtig und entscheidend ist, einen Partner zu haben, der glaubt wie ich. Ich dachte, dass das doch nicht so schlimm sein kann, wenn es nicht der Fall ist. Doch nachdem mein Glaube in den vergangenen Jahren in die Tiefe gewachsen ist, stelle ich nun immer schmerzlicher fest, wie viel mich von meinem Mann trennt und dass wir eigentlich nichts gemeinsam haben. Auch das viele Alkoholtrinken und die damit verbundenen Feste werden mir immer mehr zuwider, sodass ich gar keine Freude mehr an Treffen mit Freunden, Nachbarn und der Familie habe. Dann sind alle betrunken und es wird viel dummes Zeug geredet und geflucht.“ Ebenfalls häufig: Jemand aus der Gemeinde heiratet schließlich einen ungläubigen oder andersgläubigen Partner. Wie viel Leid und Einsamkeit gäbe es erst gar nicht, wenn das nicht geschehen wäre. Aber es ist den Leuten (meistens sind es die Frauen) wichtig, einen Partner zu haben und für gewöhnlich ist es zweitrangig, ob und was er glaubt. Man rechtfertigt sich und gibt sich dem Selbstbetrug hin, dass sich der andere schon irgendwann durch das eigene (Glaubens-)Vorbild bekehren würde. Doch die ernüchternde Realität ist, dann niemanden zu haben, mit dem man gemeinsam zu Jesus beten sowie Freude und Leid teilen kann. Man hat sich in etwas hineinmanövriert und kommt ein ganzes (Ehe-)Leben nicht mehr heraus, denn um der Kinder willen kommt für viele eine Scheidung nicht in Frage. Leider verliert der Glaube dann oft auch im eigenen Leben seinen Stellenwert; man bleibt der Gemeinde fern und/oder zieht um des Friedens willen mit dem Partner gleich. Auch die Kindererziehung leidet darunter, weil es keinen Konsens gibt, wie die Kinder im Glauben erzogen werden sollen. Diese stehen zwischen den Glaubensüberzeugungen der Eltern und sind deshalb ebenfalls Leidtragende. Gott hat den Menschen zur Gemeinschaft geschaffen. Der Mensch braucht sie – und zwar ganzheitlich – für Leib, Geist UND Seele. Deshalb bedeutet Gemeindearbeit in Russland immer auch, einen Ort zu bieten, an dem geistlich einsame Menschen zu Hause sein und Gemeinschaft erleben können. Gemeinde bedeutet, nicht mehr einsam sein zu müssen, weil man durch Jesus eine (neue) Familie gefunden hat. Matthias Schindler ● Matthias und Lena Schindler leben seit 2006 beziehungsweise 2008 in Russland und haben nach dem Sprachstudium mit dem aufbau einer Gemeinde in nischni tagil im Ural begonnen. Sie haben einen Sohn. Matthias hat die ausbildung am theologischen Seminar der liebenzeller Mission absolviert und zuvor als Verpackungsmittelmechaniker gearbeitet. lena war bis 2007 als hotelfachfrau in den christlichen Gästehäusern Monbachtal beschäftigt. Mithelfen: SpenDencoDe 1820-32 Russland Denn Gott ist treu, durch den ihr berufen seid zur Gemeinschaft seines Sohnes Jesus christus, unseres herrn. 1. koRIntheR 1,9 Weihnachtlich geschmückter Gemeinderaum Veranstaltung in der Gemeinde in Nischni Tagil fotoS: MatthIaS SchInDleR, MaRc SchWIIpS * Name geändert

10 darum geht’s deutschlaNd Dass das gemeinsam besser geht, finden viele Frauen, derenMänner zur LiebenzellerGeschwisterschaftgehörten.Vor15Jahrenhattediebereits mit 51 Jahren verwitwete Margarethe Geissinger die Idee eines „Witwentreffens“. Eingeladen wurden Frauen, deren Männer die theologische Ausbildung auf demMissionsberg absolviert und später bei der Liebenzeller Mission oder anderen christlichen Werken tätig gewesen waren. Seither treffen sich jährlich Mitte Oktober rund 20 Witwen in den Christlichen Gästehäusern Monbachtal. Auch sonst hält man Verbindung durch Besuche, gemeinsame Unternehmungen und Anrufe. Die Gemeinschaft mit Frauen in einer ähnlichen Situation ist wohltuend – auch wenn es manchmal seine Zeit braucht, bis man zum Treffen kommen kann. Ich habe nicht mehr den Menschen … Die Frauen haben unterschiedliche „Rezepte“, wie sie mit der plötzlichen Isolation umgehen. EineWitwe in den Sechzigern sagt bewusst nicht: „Ich habe keinenMenschen“, sondern: „Ich habe nichtmehrdenMenschen“, denn „sogutwiemein Mann kennt mich jetzt nur noch Jesus. Unser gemeinsamer Weg als Ehepaar ist für mich gegenwärtig. Aber ich kann nicht nur von der Geschichte leben, mein Leben geht weiter.“ Die Einsamkeit öffnet den Blick für andere Menschen: „Seit ich alleine bin, bete ich mehr für Alleinstehende, denen nie jemand die Hand gedrückt hat – oder für Geschiedene, die am Rand stehen.“ Mehrere Frauen besuchen alte Menschen im Pflegeheim und kehren erfüllt von dort zurück. „Wir müssen raus aus unserem Bau“, ermutigt eine couragierte Rentnerin, die ihr Betätigungsfeld bei Seniorennachmittagen gefunden hat. Bereits ein Anruf mit der Frage: „Was machst du gerade?“, habe sie wieder „ins Leben zurückgeschubst“, erinnert sich eine andere. Auch die Gefahren des Alleinseins kommen zur Sprache. Eine Frau fasste den bewussten Vorsatz, „nicht eifersüchtig auf die zu sein, die sich noch haben, sondern sich mit ihnen darüber zu freuen. Sie können ja nichts dafür, dass Gott mich so geführt hat.“ Vor allem die einsame Zeit nach schönen gemeinsamen Erlebnissen fordere heraus. Dann erinnert sich eine Frau an die Zusage, dass Gott ein Vater der Waisen und ein Helfer der Witwen ist (Psalm 68,6). Eine Seniorin hat sich vorgenommen: „Wenn ich alleine bin, trinke ich keinen Alkohol!“ Die Suchtgefahren für Ältere seien besonders hoch. Eine andere meint trocken: „Der Fernseher hat einen Knopf zum Ein- und Ausschalten.“ … aber andere, die mich in den Arm nehmen „FehlendeUmarmungenwarenfürmichnachdem Tod meines Mannes schlimmer als das fehlende Gespräch“, erinnert sich eine Frau. Als ihre Tochtermeinte:„Mama, das kannman lösen!“und sie in die Arme schloss, habe das einfach gutgetan. Positiv sei, dass man sich in der Geschwisterschaft mittlerweile „auch mal in den Arm nimmt“. Manche Verwitwete wollte nichts mit Ehepaaren zu tun haben – aus Sorge, dass es falsch interpretiert werden könnte. Doch dadurch würde man sich selbst Kontakte verbauen, warnt eineWitwe. Nüchtern stellt eine andere fest: „Selbst wenn sie es wollen, Verheiratete können nicht mitfühlen, wie das ist, verwitwet zu sein.“ Manche Frauen erleben, dass Ehepaare nicht immer das nötige Taktgefühl zeigen, wenn Singles zugegen sind. Diese empfinden das Alleinsein dann umso deutlicher. Einig sind sich die Frauen, dass man sich vornehmen muss, sich wieder zu freuen, fröhlich zu seinundnicht inderVergangenheit zu leben. Und dass man selbst Kontakte halten muss und „nicht warten soll, bis andere auf einen zukommen.“ ● Wir schaffen das – gemeinsam! „können wir das schaffen?“ diese Frage stellt sich immer wieder in der kinderserie „Bob, der Baumeister“. „kann ich das schaffen?“, fragen Verwitwete, die nach dem tod des partners alleine weiterleben müssen. Das jährliche Treffen im Herbst im Monbachtal ist ein Höhepunkt für die Frauen. die Geschwisterschaft ist ein Netzwerk von männern und Frauen, die bei der liebenzeller mission ihre theologische ausbildung absolviert haben oder bei der lm mitarbeiten. Je einsamer jemand ist, desto deutlicher hört er die Stimme Gottes. leo tolStoI monika Weinmann, redaktion „mission weltweit“, erlebte viele mutige Frauen beim „Witwentreffen“. foto: pRIVat

11 mIssIoN weltweit 1–2/2019 mIkroNesIeN darum geht’s In Chuuk kommt Adoption häufig vor. Im Falle von Freddy* kannten sich die leiblichen und die Adoptiveltern, und sie trafen ihre Abmachung, als Freddy zwei Jahre alt war. Wo ist mein Zuhause? Als er die Wahrheit erfuhr, wusste Freddy es nicht mehr. Seine „richtigen“ Eltern liebten ihn offensichtlich nicht. Warum hatten sie gerade ihn weggegeben? Er hatte doch noch fünf Geschwister! Und seine Adoptiveltern hatten ihn angelogen – also liebten auch sie ihn nicht. Er nannte sie jetzt nur noch beim Vornamen, nicht mehr Mom und Dad. Freddy fühlte sich einsam, als hätte er überhaupt keine Eltern. Draußen spielte er oft alleine, denn die anderen Kinder erinnerten ihn schmerzvoll an die Adoption. Der Vater seiner leiblichenMutter hörte ihm zu. Er war der einzige, von dem sich Freddy geliebt fühlte. Weil die Adoptiveltern Besuche verhinderten, besuchte der Junge seinen Opa heimlich. Doch kurz vor Freddys Schulabschluss starb sein Großvater. Wenn gesagt wurde, dass Gott der Herr über alles ist, schüttelte Freddy nur den Kopf und wandte sich ab. Er begann zu trinken und forderte Gott zehn Jahre lang heraus: „Ich will sehen, wie mächtig du bist, Gott!“ Freddys leibliche Mutter lud ihn ein, mit nach Guam zu kommen. Freddy bekam dort einen Job, konnte studieren, bei den Eltern wohnen – und trank weiter. In die Kirche ging er selten; bei den Predigten wusste er bald, wie sie enden, und er fand sie langweilig. Immer noch trieb ihn der Gedanke an die Adoption um. Zehnmal fragte er seine leibliche Mutter: „Warum habt ihr mich in solch eine Familie gegeben? Ihr wusstet doch, dass mein Adoptivvater trinkt und seine Frau schlägt.” Die Antwort war jedes Mal gleich: „Das wirst du nie verstehen.“ Freddy litt unter seinem Lebensstil Aber er wusste nicht, wo er Hilfe finden könnte. Als er seine Frau kennenlernte, erinnerte sie ihn in vieler Hinsicht an seinen Großvater. Er befolgHartmut und Urte Scherer sind seit 1997 Missionare in Mikronesien, zunächst auf chuuk, jetzt auf Guam. Beide haben die ausbildung am theologischen Seminar der liebenzeller Mission absolviert. Zuvor war hartmut als Ingenieur im fahrzeugbau tätig, Urte als Dipl.finanzwirtin (fh). Beide sind jetzt Dozenten an der theologischen Universität Mikronesien (pIU). abgegeben und einsam seine kindheit war friedlich verlaufen. doch als er zehn Jahre alt war, erzählten ihm die spielkameraden, dass er ein adoptivkind sei. das hatte er nicht gewusst! * Name geändert te ihren Rat und ging wieder mehr zur Kirche. Aber die Predigten sagten ihm immer noch nichts. Mit 27 Jahren hörte er, wie Studenten unserer Pacific Islands University von ihrem Missionseinsatz in Thailand erzählten. Die persönlichen Erlebnisse sprachen Freddy an. Hier wusste er nicht schon im Vorfeld, wie die Geschichten ausgehen würden. Außerdem merkte er, dass Gott das Leben der Studenten veränderte. Das half ihm in seinem Fragen nach Gott. Freddy begann, die Bibel aufmerksam zu lesen. Schließlich gab er seinen Beruf auf und wurde selbst Student an der PIU. 1. Korinther 10,13 half Freddy sehr in seinem Ringen mit Gott: „Bisher hat euch nur menschliche Versuchung getroffen. Aber Gott ist treu, der euch nicht versuchen lässt über eure Kraft, sondern macht, dass die Versuchung so ein Ende nimmt, dass ihr‘s ertragen könnt.” Eines Tages besuchte er seine leibliche Mutter. Er wollte nicht wieder den Gründen seiner Adoption nachspüren. Dieses Mal sagte er ihr: „Ich habe gelernt, dass Gott mein Leben bestimmt. Im Rückblick sehe ich, dass Gott mich an einen Platz gebracht hat, an dem ich geistlich zu dem Menschen reifen konnte, der ich jetzt bin.“ Heute schätzen ihn seine Geschwister und fragen ihn um Rat. Wer weiß, überlegt Freddy, ob ich das alles gelernt hätte, wenn ich nicht adoptiert worden wäre. Hartmut und Urte Scherer ● Mithelfen: SpenDencoDe 1260-32 Mikronesien Spielende Kinder am Strand in Guam. Es ist unüblich, alleine zu spielen. fotoS: haRtMUt ScheReR

darum geht’s Japan 12 Das japanischeWort für „einsam“ spricht man „kodoku“ aus. Die Bedeutung der einzelnen Zeichen ist „allein, verwaist“ (Schriftzeichen 1) und „allein, auf sich gestellt“ (Schriftzeichen 2). Wir leben in Japan, einem Land mit 126 Millionen Einwohnern und allein zwölf Millionenstädten; die bekannteste ist Tokio mit rund 13 Millionen Menschen. Hier pulsiert das öffentliche Leben. Die Gesellschaft gibt die nötigen Vorlagen, denn Japaner sind Menschen, die sich insbesondere in Gruppen organisieren. Von klein auf Teil einer Gruppe zu sein – in der Familie, im Kindergarten, in der Schule und später in der Firma – ist überlebenswichtig für sie. Dort hat jeder seinen Platz und seine Aufgaben. Man fühlt sich gebraucht und bekommt Anerkennung. Schaut man jedoch hinter die Kulissen, gibt es unzählige Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen nicht mehr in diesem Verband leben wollen oder können. Und so steigen schon Kinder und auch Jugendliche aus der Schule aus. Immer mehr Erwachsene können dem enormen Druck, den die Gesellschaft auf sie ausübt, nicht mehr standhalten. Und so ziehen sich viele aus dem öffentlichen Leben zurück, werden einsam und oft auch an Leib und Seele krank. Zwar bieten Behörden ihre Unterstützung und Ärzte medizinische Hilfe an, aber Therapieplätze fehlen und auch die Wiedereingliederung steht auf einem anderen Blatt. Viele Menschen verlieren ihre Lebensperspektive. EINSAMkeit unter uns? Frau Nakano ist eine treue Christin und Mitglied in unserer kleinen Kirche mit ihren rund 25 Gottesdienstbesuchern. Sie arbeitet unweit der Gemeinde in einem kleinen Pflegeheim. Dort kümmert sie sich um alt und schwach gewordene Menschen. Zu Hause ist Frau Nakano oft einsam. Nein, sie lebt nicht alleine. Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Früher sind ihr Mann und ihre Kinder auch mit in die Gemeinde gekommen. Doch sie wollen schon lange nichts mehr von Jesus Christus wissen. Und so teilt niemand in der Familie ihren Glauben. Drei Gemeindeglieder haben in ihren Familien den Verlust eines Menschen zu verkraften, weil diese ihrem Leben selbst ein Ende gesetzt haben. Da bleiben Erinnerungen an gemeinsam Erlebtes nicht aus – und die Einsamkeit holt sie immer wieder ein. EINSAM? gemEINSAM! Einsamkeit bezeichnet die Empfindung, von anderen Menschen getrennt oder abgeschieden zu sein.* Menschen, die an Vereinsamung leiden, fühlen sich verlassen, trostlos, traurig, mutterseelenallein. Japaner organisieren sich stark in Gruppen. Trotzdem vereinsamen immer mehr Menschen. * Quelle: Wikipedia

13 JapaN darum geht’s mIssIoN weltweit 1–2/2019 Sakura ist eine bildhübsche junge Frau. Sie war mit einem Neuseeländer verheiratet und hat zwei Töchter und einen Sohn im Alter von zwei bis sieben Jahren. Als der Jüngste einige Monate alt war, hat der Mann und Vater die Familie und auch Japan verlassen. Als ich Sakura fragte, ob sie einsam sei, verneinte sie: „Wenn Jesus mir nicht spürbar nahe wäre, dann wäre mein Leben traurig, beklagenswert und einsam.“ Auch ihre Eltern, Geschwister und Freunde stehen zu ihr, helfen praktisch mit und sind für sie da. Aber die Verantwortung für die Kinder liegt auf ihren Schultern, und auch den Lebensunterhalt muss sie verdienen. Doch in all dem strahlt sie Zuversicht und Stärke aus. Wenn man urplötzlich einen lieben Menschen verliert, bleibt man allein zurück und muss mit dem Verlust und der Einsamkeit leben lernen. Das ist sehr schwer. Ich denke da besonders an Gerd Strauß, unseren Freund und Mitmissionar in Japan, den Gott am 9. Dezember 2017 zu sich geholt hat, und an seine Frau Heike, die Kinder Samuel, Sabrina und Sebanja, an Gerds Mutter, seine Geschwister und Freunde. Erst in der Ewigkeit wird Gott unsere vielen Fragen dazu beantworten. gemEINSAM kontra EINSAM Frau Oseki ist schon über 90 Jahre alt. In ihrem großen Bauernhaus lebt niemand außer ihr. Sie liebt Jesus, sein Wort, ihren Garten. Wenn einmal im Monat Schwester Priscilla und Frau Nakano zum Bibelgespräch kommen, ist das Frau Osekis größte Freude. Ihre Einsamkeit wird erhellt durch die Gemeinschaft mit den beiden Frauen, Gottes Wort und das gemeinsame Gebet. Bei grünem Tee und den von ihr zubereiteten Köstlichkeiten gibt es dann noch einen wertvollen Austausch, und jede Frau kehrt gestärkt in ihre Situation zurück. was tue ich selbst in Zeiten, in denen ich einsam bin und mich verlassen fühle? ● Ich raffe mich auf, einen Besuch im Altenpflegeheim zu machen, um die Einsamkeit der Menschen dort zu unterbrechen. Aber danach bin ich selbst beschenkt! ● Mit zwei Frauen der Gemeinde treffe ich mich immer wieder zumAustausch. Wir teilen Freud und Leid und beten mit- und füreinander. ● E-Mail oder WhatsApp lassen auch weite EntfernungenüberbrückenunderleichterndasAnteilnehmen und Anteilgeben von Mitmissionaren, Familie und Freunden. Das berührt mich in schwierigen Zeiten und ändert meinen Blickwinkel. ● Zusagen aus Gottes Wort, besonders die Psalmen, trösten und ermutigen mich immer wieder! ● Auch Musik, Bibelarbeiten, Vorträge oder Lebensbilder sind mir persönliche Mutmacher. An unserem Kirchengebäude gehen viele Fußgänger vorbei. Unter ihnen sind nicht wenige, deren Gang gebeugt oder deren Gesichtsausdruck ohne Hoffnung ist. Immer wieder bitten Menschen um seelsorgerlichen Rat. Unsere Möglichkeiten sind begrenzt, aber Jesus kann helfen, und es ist unser Anliegen, dass Menschen durch die Begegnung mit ihm neuen Lebensmut und einen Ausweg aus ihrer Einsamkeit finden. Auch Jesus erlebte Verlassenheit und Einsamkeit. Seine Jünger schliefen, nachdem er sie gebeten hatte, mit ihm zu wachen. Und als Jesus am Kreuz hing, war nicht einmal Gott mehr auf seiner Seite. Ist es nicht paradox, dass sich Jesus gerade im Moment größter Verlassenheit an seinen Vater im Himmel wendet?! Dieser Weg steht auch uns offen. Diesen Weg hat Jesus geöffnet, auch für das Volk der Japaner. Susanne Schlotz ● Peter und Susanne Schlotz leben seit 1992 in Japan, haben drei erwachsene kinder und sind in der Gemeindegründung und im Gemeindebau tätig, seit herbst 2012 in chikusei. Zugleich ist peter teamleiter für Japan. Vor seiner ausbildung am theologischen Seminar der liebenzeller Mission war er Bankkaufmann. Susanne ist kinderkrankenschwester von Beruf. Oben: Frau Oseki (links) und Frau Nakano beim monatlichen Hauskreis im Bauernhaus von Frau Oseki Unten: Sakura bei der Segnung ihrer Kinder r im Himmel Mithelfen: SpenDencoDe 1340-32 Japan foto: anDReaS GRoSS foto: S. pRIScIlla kUnZ foto: SUSanne SchlotZ

14 darum geht’s INterkulturelle teams deutschlaNd Für viele ist die Suche nach einer bezahlbaren Wohnung in Uni-Nähe eine riesige Herausforderung. Sie kennen sich im Mietrecht nicht aus, verstehen in den Verhandlungen wenig und werden oft betrogen. Auch sprachlich erleben sie große Enttäuschungen. Das in China fleißig gebüffelte Deutsch reicht nicht. Wenn sie am Ende nur 20 Prozent des Unterrichts verstehen, weil der Professor schnell spricht oder Sprichwörter und Begriffe verwendet, die sie nie gehört haben, dann werden viele Studenten nervös und verzweifeln. Wie sollen sie so durchs Studium kommen? Der viel flexiblere und individuellere Studienalltag ist ungewohnt, und die Zeiteinteilung wird zum Problem: In China ist vieles vorgegeben, hier wird viel mehr Eigenständigkeit erwartet. Auch im zwischenmenschlichen Bereich stoßen Chinesen schnell an Grenzen, und sie sind trotz des Lebens in der Masse der Studierenden sehr einsam. Es strengt sie an, Kontakte zu knüpfen – sie sind es nicht gewohnt, selbst auf andere zuzugehen. Auch die unterschiedliche Denkweise zwischen Ost und West ist ein Hindernis. Chinesische Studenten erzählen uns immer wieder, dass sie mit der deutschen Logik nicht zurechtkommen. Deutsche denken in Strukturen, die Chinesen nicht nachvollziehen können. Den Eltern wollen sie von ihren Problemen nicht berichten, damit sich diese weniger Sorgen machen. Und so sind viele verzweifelt und einsam, vor allem am Anfang ihrer Studienzeit. Seit 2009 arbeiten wir in Baden-Württemberg unter Chinesen. Auch in Karlsruhe unterstützen wir die chinesische Gemeinde. Dort arbeitet Stella mit, der wir einige Fragen gestellt haben. klaus-Dieter und Erika Volz haben zwei Söhne, waren von 1993 bis 2009 Missionare in taiwan und arbeiten seit 2009 unter chinesen in Deutschland. klausDieter leitet die „Interkulturellen teams“ der liebenzeller Mission. er ist als Missionarskind in papuaneuguinea aufgewachsen. erika ist Bankkauffrau. Beide haben die ausbildung am theologischen Seminar der liebenzeller Mission absolviert. Jedes Jahr im herbst kommen junge chinesen zum studium nach deutschland. anfangs sind sie sehr damit beschäftigt, sich in der Fremde zurechtzufinden: die sprache ist anders, die menschen leben anders, das essen schmeckt nicht. das größte problem: die Freunde und die Familie sind weit weg und können nicht eben mal zur hilfe eilen. Mithelfen: SpenDencoDe 1062-32 Interkulturelle teams Gemeinschaft pflegen bei einem Grillfest Brückenbauer gesucht!

15 mIssIoN weltweit 1–2/2019 INterkulturelle teams deutschlaNd darum geht’s Stella, was tut ihr, um chinesischen Studenten zu helfen? Wir veranstalten am Schuljahresbeginn offene Abende, um Kontakt zu neuen Studenten herzustellen. Wir helfen ihnen, sich in der Stadt und im Land zurechtzufinden. Nicht selten nehmen wir Gemeindemitarbeiter spontan Studenten auf, bis sie eine eigene Wohnung gefunden haben. Auch durch den Kontakt zu älteren Studenten in der Gemeinde bekommen die Neuen wertvolle Tipps für das Leben hier. wie können Christen chinesische Studenten unterstützen? Sie könnten sie bei sich wohnen lassen oder bei der Wohnungssuche behilflich sein und ihnen im Alltag mit mehr Geduld, Empathie und Nachsicht begegnen. Das wäre eine echte Hilfe und große Ermutigung! Gläubige Studenten könnten beim Zurechtfinden im Studium Hilfe anbieten. Ein Tipp für das knüpfen von Freundschaften? Den eher introvertierten Chinesen hilft es, wenn Deutsche mehr Initiative ergreifen, aktiv auf sie zugehen und sie in ihre Jugendkreise einladen. Chinesen würden gerne Freundschaften zu Gleichaltrigen knüpfen, trauen sich aber meistens nicht. Familien können Gastfreundschaft üben und Studenten zum Essen einladen, am besten gleich zwei oder drei zusammen. Und wenn dann noch der Nachmittag zusammen verbracht wird, haben die Chinesen endlich einmal Gelegenheit, das Leben einer christlichen Familie kennenzulernen. Gerne vermitteln wir Kontakte, auch für einen Tagesausflug! Stella, wie kannst du als Single und hauptamtliche Mitarbeiterin Chinesen helfen, ihre Einsamkeit zu überwinden? Zunächst muss man verstehen, wie sich Studenten in Deutschland fühlen, wenn sie ganz allein hierherkommen. Ich kann das sehr gut nachempfinden. Bevor ich nach Deutschland kam, um in der Gemeinde mitzuarbeiten, wurde ich vorgewarnt, dass Einsamkeit ein Problem werden könnte. Für mich war die Gemeinschaft mit Schwestern und Brüdern in der Gemeinde wichtig, um damit umzugehen. Wie gut war es auch, dass ich vorher schon Kontakt zur chinesischen Gemeinde Karlsruhe hatte und gute Freundschaften zu Frauen in der Gemeinde. Gemeinschaft spielt eine wichtige Rolle, deshalb müssen die Studenten möglichst schnell Anschluss in der Gemeinde und neue Freunde finden. Vor allem in der Fremde ist es wichtig, als Landsleute zusammenzuhalten und einander zu helfen. Ist Einsamkeit auch positiv? Weil Gott uns als Gemeinschaftswesen geschaffen hat, ist die Gemeinde für mich neben dem Hören auf Gottes Wort als Ort der Gemeinschaft sehr wichtig. In Hongkong lebte ich mit meiner Schwester und meiner Mutter auf sehr engem Raum. Hier in Deutschland genieße ich es, eine eigene Wohnung zu haben. Ich muss mich nicht um andere kümmern und habe mehr Zeit, hinauszugehen, um anderen zu dienen. Weil ich Single bin, kann ich mich viel intensiver um die Studenten kümmern und Zeit mit ihnen verbringen. Gelegentliche Einsamkeit hat auch einen positiven Aspekt. An manchen Tagen genieße ich die Einsamkeit in meinen vier Wänden, weil ich so Gottes Nähe viel intensiver erleben und mich ungestört mit ihm unterhalten kann. In der Bibel finde ich viele tröstende Worte, die ich Studenten weitergebe. Ich weise sie auf den hin, der unser bester Freund sein möchte, ja, der sogar sein Leben gegeben hat, um eine ewige Beziehung zu uns zu haben. Durch das gemeinsame Lesen in Gottes Wort und Gebet helfe ich Studenten, ihre Einsamkeit zu überwinden und Gemeinschaft mit IHM und mit anderen Glaubensgeschwistern zu haben. Christen sind zur Gemeinschaft berufen, besonders in einer individualistischen Gesellschaft. Dein wunsch an die Gemeinden hierzulande? Ich würde mich freuen, wenn es mehr Brückenbauer gäbe, die sich nicht von der kulturellen Andersartigkeit aufhalten lassen, sondern bereit sind, Zeit, Liebe und Kraft für mehr Gemeinsames zu investieren. Manche Gemeinden haben internationale Haus- und Bibelkreise gegründet, in denen man gemeinsam in deutscher Sprache die Bibel liest. Chinesische Studenten sind sehr interessiert an deutscher Konversation und freuen sich, wenn solche Kreise angeboten werden und sie ihr Deutsch üben können. Eine weitere Möglichkeit des Brückenbauens ist eine engere Zusammenarbeit zwischen deutschen und ausländischen Gemeindeleitern und Studentenkreisen, damit Grenzen überwunden werden. Nicht zuletzt haben die Christen in Deutschland eine nie da gewesene Chance, selbst aktiv an der Ausbreitung des Evangeliums in China mitzuarbeiten – vorausgesetzt sie haben eine tiefe Liebe zu ihnen. Es werden immer mehr Studenten kommen, die noch nie von Jesus gehört haben! Klaus-Dieter und Erika Volz ● Stella gibt Tipps für das Leben in Deutschland. Gemeinsames Bibellesen fotoS: klaUS-DIeteR VolZ

16 darum geht’s malaWI Ob Malawier ähnlich empfinden? Sie leben in der Großfamilie eng zusammen, man gestaltet das Leben gemeinsam und ist voneinander abhängig. Kann man im Kollektiv einsam sein? Paul* ist zu seiner Frau gezogen. Auf dem Grundstück seiner Schwiegereltern hat er ein Haus gebaut. Das Feld, das er mit seiner Familie bewirtschaftet, gehört der Familie seiner Frau. Klingt sehr harmonisch. Einsamkeit ist für ihn vermutlich ein Fremdwort. Sam* lebt seit der Trennung seiner Eltern bei der Großmutter. Es scheint hier eine Selbstverständlichkeit zu sein, (Waisen-)Kinder aufzunehmen oder zu einer fremden Frau, zur Oma oder Tante „Mama“ zu sagen. Sam geht es scheinbar gut bei seiner Oma, er ist ein fröhlicher Mensch und kommt gerne in unsere Jugendgruppe. Sein Engagement dort ist vorbildlich, und er ist wichtig für die Gruppe. Sam hat einen muslimischen Hintergrund, hat aber ein Leben mit Jesus begonnen. Diese Entscheidung bringt eine tiefe Spaltung in seine Familie. Obwohl er nicht beim Vater lebt, bezahlte dieser seine Schulgebühren. Dass Sam Christ geworden ist, akzeptiert der Vater nicht, und er stoppt die Zahlung. Sam hat sonst niemand, der ihm helfen kann. Seine Oma ist alt und schwach, unterstützt ihn dennoch mit einem ihrer wenigen Maissäcke. Wie kann man helfen, ohne die Vater-Sohn-Beziehung noch stärker zu belasten? Diese Frage fordert uns heraus. In seiner Hilflosigkeit kommt Sam zu uns. Seine Eltern und Verwandten sind in nächster Nähe, trotzdem empfindet er eine große Einsamkeit. Wir versuchen, ihm zu helfen, aber unsere Hilfe ist nur temporär möglich. Letztlich können wir die Lücke nicht füllen. welche Beziehung wirklich hilft Die Bibel sagt, dass der Mensch dazu geschaffen ist, in Gemeinschaft mit Gott zu leben. Nur diese Beziehung kann Einsamkeit kompensieren. Gott selbst möchte uns in den tiefsten Verletzungen, in den schmerzhaftesten Beziehungsbrüchen und in den einsamsten Stunden des Lebens begleiten (Psalm 23,4). Gott verlässt uns nicht – selbst wenn sich scheinbar jeder von uns abwendet. Gott lässt uns nicht als Waise zurück (Johannes 14,18). Wir sind nie ganz alleine (Hebräer 13,5). Zurück zu Paul. Das Leben bei seinen Schwiegereltern ist manchmal sehr herausfordernd. Paul singt gut und gern. Die Lieder, die er in der Kirche singt, helfen ihm im Alltag. Oft enthalten sie Worte aus der Bibel, die Paul Halt und Zuversicht geben, wenn er einsam ist. Das wünschen wir uns auch für Sam: Dass er es weiter mit Jesus wagt und seinem Wort ganz vertraut. Wir sind uns sicher, dass Jesus Türen öffnen kann. Er hält seine Versprechen, auch wenn es manchmal nicht gleich sichtbar wird. Auch wir als Ehepaar haben erlebt, dass Gott Mangel wie zum Beispiel Einsamkeit ausfüllt. Er hat uns durch Tiefen hindurchgetragen. Wir möchten weiter wachsen in der vertrauensvollen Beziehung mit dem Vater. Das wünschen wir uns auch für unsere Arbeit unter Jugendlichen, Pastoren und Gemeindeleitern: Dass wir gemeinsam die Gottesbeziehung vertiefen, teilen und einander ermutigen. Dann lässt sich auch die inmitten von Menschen empfundene Einsamkeit überwinden. Tobias und Sarah Müller Tobias und Sarah Müller leben seit august 2011 in Malawi. Seit September 2018 sind sie für Schulungsarbeit unter pastoren und Gemeindeleitern, die missionarischen impacteinsätze und administrative aufgaben verantwortlich. Zuvor waren sie im Dorfentwicklungsprojekt Ubwenzi sowie am chisomoZentrum tätig. tobias ist elektroinstallateur, hat die ausbildung am theologischen Seminar der liebenzeller Mission absolviert und war danach Gemeinschaftspastor mit Schwerpunkt Jugendarbeit im Raum herrenberg. Sarah ist Jugendund heimerzieherin von Beruf. Die beiden haben zwei kinder. gemeinsam und doch einsam Wir sind gerne unter leuten und genießen gesellschaft. Wir fühlen uns in malawi wohl und haben auch dort Freunde gefunden. doch es gibt kulturelle unterschiede, und manchmal macht sich eine gewisse einsamkeit breit. ● foto: elke pfRoMMeR Mithelfen: SpenDencoDe 1660-32 Malawi Tobias Müller im Gespräch mit Gemeindeleitern * Name geändert

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